Schnuller abgewöhnen: In der Bildergeschichte „Der Schnuller“ erzählt Wilhelm Busch vom Leid eines kleinen Jungen, dem sein Schnuller durch zwei Hunde entrissen wird. Die Geschichte endet damit, dass der Schnuller dank Großmutters Hilfe letztendlich wieder am richtigen Platz ist, nämlich im Mund des Jungen, der daraufhin beseelt einschläft. Auch heute noch gilt vielen Eltern der Schnuller als Beruhigungsmittel, Trost und Ablenkung. Die Meinungen über dessen Nutzen gehen allerdings sowohl bei Eltern als auch bei Ärzten stark auseinander. Ebenso sind sich Elternschaft und Mediziner darüber uneinig, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dem Kind den Schnuller abzugewöhnen und welche Methoden dabei am besten sind.
Seit wann gibt es eigentlich Schnuller?
Schnuller, regional unter anderem auch als Nuckel, Nuggi, Luller oder Nubbel bekannt, wurden nach Meinung von Historikern wahrscheinlich schon in der Zeit vor Christi genutzt. Belegbar ist ihre Verwendung in Europa seit dem Mittelalter. Es handelte sich allerdings nicht um Schnuller, wie wir sie heute kennen, sondern um sogenannte Lutschbeutel oder Sauglutscher. Diese bestanden aus einem zusammengebundenen Leinentuch, das mit einem Brei gefüllt war. Zu sehen sind solche frühen Schnuller zum Beispiel auf dem Bild „Die Madonna mit dem Zeisig“ von Albrecht Dürer und auf dem Altarbild in der Kirche St. Stephani in der sachsen-anhaltinischen Stadt Aschersleben. In der medizinischen Literatur werden Schnuller bereits 1473 beziehungsweise 1513 durch die deutschen Ärzte Bartholomäus Metlinger und Eucharius Rösslin erwähnt.
Die Stoffschnuller dienten nicht nur der Beruhigung des Kindes und der indirekten Ernährung, sondern sollten auch das Zahnen massierend unterstützen und dem Kind Linderung dabei verschaffen. Lutschbeutel wurden noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts genutzt. Viele Ärzte lehnten sie jedoch als unhygienisch ab. Der Görlitzer Arzt und Apotheker Christian August Struve beispielsweise sah einen Zusammenhang zwischen den Lutschbeuteln und der Mundfäulnis, die einen Zahnausfall zur Folge haben konnte. Er kritisierte die Verwendung in seinem Buch „Über die Erziehung und die Behandlung der Kinder in den ersten Lebensjahren“ von 1798 stark. Auch nachdem ab Mitte die ersten Gummischnuller auf den Markt kamen, sprachen sich manche Mediziner aus hygienischen Gründen gegen die Verwendung aus. Diskutiert wurde dies unter anderem 1904 auf der 76. Versammlung deutscher Ärzte und Naturforscher in Breslau.
Welche Risiken bestehen bei der Verwendung eines Schnullers?
Wie Der Tagesspiegel schreibt, kann das regelmäßige Saugen an einem Schnuller das Risiko für eine Mittelohrentzündung erhöhen.
Als Grund werden veränderte Druckverhältnisse zwischen dem Rachen und den Ohren gesehen, wie sie durch das intensive Nuckeln entstehen können. Außerdem kann die Verwendung von Schnullern die folgenden Risiken bergen:
- Fehlstellungen des Kiefers und der Zähne, insbesondere kann es zu einem lutschoffenen Biss kommen
- erhöhte Kariesgefahr, wenn der Schnuller in Süßes getaucht wird
- erhöhte Gefahr von Erkältungskrankheiten durch die dauerhafte Mundatmung
- verlangsamte Sprechentwicklung durch Beeinträchtigung der Mund- und Zungenmotorik
- Sauger können gesundheits- und erbgutschädigende Chemikalien enthalten
Was spricht für die Nutzung von Schnullern?
Wissenschaftler untersuchten Fälle von plötzlichem Kindstod in den USA und kamen zu der Erkenntnis, dass das Risiko hierfür im ersten Lebensjahr durch die Verwendung eines Schnullers geringer ist. Ihre Ergebnisse wurde im Jahr 2005 im British Medical Journal veröffentlicht. Außerdem haben Babys ein natürliches Saugbedürfnis, das in manchen Fällen allein durch das Stillen oder die Babyflasche nicht befriedigt wird. Davon, die Saugflasche anstelle eines Schnullers als Nuckelersatz zu verwenden, wird allgemein abgeraten.
Die Folge kann nämlich das sogenannte Nursing-Bottle-Syndrom sein, auch Nuckelflaschenkaries genannt. Das Syndrom tritt insbesondere dann ein, wenn in der Flasche gesüßte Getränke gereicht werden, wodurch es zu Karies an den Zähnen kommen kann. Die Verwendung eines Schnullers kann zudem das Daumenlutschen verhindern, bei dem es noch eher als beim Nuckeln am Schnuller zu einer Verformung von Ober- und Unterkiefer kommen kann.
Gibt es Schnuller, die besser sind als andere?
Bei den heutigen Schnullern wird zwischen zwei Formen unterschieden, und zwar kann das Saugteil entweder rund oder entsprechend der Form des Gaumens leicht abgeschrägt sein. Die zweite Variante wurde bereits 1949 durch den Zahnmediziner Adolf Müller entwickelt. Sie soll Fehlbildungen des Gaumens und des Kiefers vorbeugen. In Untersuchungen aus dem Jahr 2011 bezüglich Kiefer- und Zahnfehlbildungen schnitten Schnuller mit abgeschrägter Form gegenüber der runden etwas besser ab. Noch weniger Fehlbildungen zeigten jedoch Kinder, die ohne Schnuller ausgekommen waren.
Wann ist der beste Zeitpunkt zum Schnuller Abgewöhnen?
Kinder haben unterschiedliche Bedürfnisse und daher ist es schwer, einen genauen Zeitpunkt zu benennen, an dem Schluss mit der Verwendung des Schnullers ist. Einige Mediziner und Pädagogen, wie zum Beispiel die Münchener Kinder- und Jugendärztin Margret Ziegler und die Diplom-Heilpädagogin Julia Spätling, vertreten laut eines Artikels in dem Magazin „Die Kitzinger“ vom 26. September 2020 die Meinung, dass ein Schnuller auf keinen Fall dauerhaft eingesetzt und spätestens ab dem 12. Lebensmonat nur noch zum Einschlafen oder zum Beruhigen eingesetzt werden sollte. Ab dem vierten Lebensjahr sollte er überhaupt keine Rolle mehr spielen. Die Zahnärztin Corina Kynast aus Brühl meint, das Abgewöhnen des Schnullers sollte bereits zwischen dem 24. Bis 36. Lebensmonat erfolgen, da es in dieser Zeit zum Durchbruch der ersten Milchzähne kommt und die Gefahr von Fehlstellungen durch das Saugen besteht.
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Methoden zum Abgewöhnen des Schnullers
Das Wichtigste, um einem Kind den Schnuller abzugewöhnen, ist eure Einstellung als Eltern dazu. Wenn ihr dem Kind den Schnuller bei jeder Gelegenheit in den Mund steckt, wird es schwerer sein, diese Gewohnheit wieder zu beenden. Besser ist es nach Ansicht von Margret Ziegler, wenn ihr dem Kind den Schnuller bei eventuellem Bedarf nur anbietet, sodass es danach greifen kann. Nach Möglichkeit solltet ihr den Einsatz des Schnullers aber sehr reduzieren. Viele Kinder vergessen den Schnuller, wenn sie ihn nicht in der Nähe haben, und schlafen auch ohne ein. Ein probates Hilfsmittel bei der Abgewöhnung des Schnullers ist ein Ritual. Dazu hier ein paar Ideen:
- Die Schnullerfee kommt, wenn euer Kind auf den Schnuller verzichtet und tauscht diesen gegen ein kleines Geschenk aus.
- Ihr könnt das endgültige Ablegen des Schnullers mit einem Abschiedsfest feiern, bei dem euer Kind ein kleines Geschenk erhält und dafür den Schnuller abgibt.
- Eine Tradition aus Dänemark ist der Schnullerbaum. Es kann sich bei diesem sowohl um einen realen Baum im Garten, als auch um einen symbolischen handeln. Euer Kind kann den Schnuller an den Baum hängen, um sich bewusst davon zu trennen. Der vermutlich älteste Schnullerbaum befindet sich seit den 1920er Jahren auf der Insel Thurø. Da Schnuller aus Kunststoff bestehen, der in der Natur nicht abgebaut werden kann, solltet ihr sie aber nicht einfach irgendwo in den Park oder den Wald hängen. Seht euch lieber nach Schnullerbäumen in der näheren Umgebung um. In Deutschland stehen ausgewiesene Schnullerbäume zum Beispiel in Berlin im FEZ Wuhlheide, in Köln im Rheinpark, in Dortmund im Westfalenpark, in Dresden auf dem Gelände des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus und in Lübeck im Drägerpark. Schnullerbäume findet ihr aber auch in Fulda, Bielefeld, Gelsenkirchen, Hannover, Münster, Ratingen, Gelsenkirchen, Bad Harzburg, Wangen im Allgäu und Königs Wusterhausen.
Wenn das Schnuller Abgewöhnen medizinisch notwendig ist, kann das Einsetzen einer Mundvorhofplatte sinnvoll sein. Diese wird in der Regel durch den Zahnarzt oder den Kieferorthopäden verschrieben. Eine Ausnahme ist der Stoppi Entwöhnungs-Sauger von Dentistar*, den ihr online und in Apotheken erwerben könnt.
Als Unterstützung zum Abgewöhnen des Schnullers gibt es im Buchhandel darüber hinaus viele schöne Bücher, die ihr eurem Kind abends vorlesen könnt, wie zum Beispiel:
- „Die kleine Schnullerfee“ von Liane Hedlund und Maria Wissmann
- „Ich brauche keinen Schnuller mehr“ von Regina Schwarz und Katja Senner
- „Mia gibt ihren Schnuller auf: Mit diesem Buch klappt die Entwöhnung vom Schnuller!“ von Jenny Album
- „Klaus Schnullermaus: Mit Klaus der Maus den Schnuller abgewöhnen“ von Birgit Hörner und Silke Weßner
Wenn das Abgewöhnen des Schnullers nicht klappt
Manche Pädagogen gehen davon aus, dass ein Schnuller nicht als Ersatzbefriedigung dienen sollte, wenn das Kind eigentlich nach Nähe und Geborgenheit verlangt. So empfiehlt beispielsweise Dr. Silvana Quattrocchi Montanaro, Expertin auf dem Gebiet frühkindlicher Entwicklung, in ihrem Buch „Das Kind verstehen“ aus dem Jahr 2014 einem Baby den Schnuller lediglich dann zu geben, wenn es bei der Mutter ist und nur so lange, bis der Saugdrang befriedigt ist. Andernfalls kann es laut der Autorin zu einer Abhängigkeit und sogar zu Beeinträchtigungen beim Sprechen kommen, weil das Kind den Mund mehr zum Nuckeln als zur Kommunikation mit anderen nutzt. Sofern das Kind nicht oder noch nicht vom Schnuller lassen kann, beherzigt wenigstens die folgenden Punkte:
- Tunkt den Sauger nicht in Zucker, Honig, Sirup oder andere süße Lebensmittel, da es dadurch zu Karies und damit zu Schäden an den Milchzähnen kommen kann und das Kind zudem Süßes als Ersatzbefriedigung wahrnimmt.
- Der Sauger darf nicht durch euch oder andere Personen zum Säubern abgeleckt werden, denn dadurch können Mundbakterien übertragen werden, die ebenfalls Karies auslösen.
Die meisten Kinder werden sich irgendwann von ihrem Schnuller trennen. Bei zu frühem Entzug kann es aber dazu kommen, dass sie stattdessen Daumen oder Finger benutzen, wodurch es wie bei der Verwendung eines Schnullers zu Kiefer- und Zahnfehlbildungen kommen kann. Wie generell bei der Erziehung von Kindern ist daher auch beim Schnuller Abgewöhnen Fingerspitzengefühl und Geduld gefragt. Manche Kinder entdecken von ganz allein, dass sie irgendwann zu groß für den Schnuller sind und legen ihn ganz freiwillig und ohne Tricks oder Bestechung ab.